ELEGANZ. Eine Konferenz

Eleganz ist das, was meistens und am meisten fehlt. Anfangs wird sie kaum vermisst, aber dann immer mehr. Wir suchen sie. Aber sie ist schwer zu finden und zu fassen, zu leicht, zu fein, das, was man früher das gewisse Etwas nannte (le je-ne-sais-quoi). Ohne dieses Ich-weiss-nicht-was-es-ist bleibt alles schwerfällig, plump, umständlich, additiv, ein Neben- und Gegeneinander. Die Eleganz bringt Bewegung, frischen Wind in die alten Gegensätze und findet eine Lösung, in der sie nicht einfach untergehen, aber doch flüssig werden wie Raum und Zeit in Einsteins Relativitätstheorie, dem Exempel schlechthin von Eleganz und ihrer Einfachheit. Das ist unsere Vermutung: Die Eleganz ist im Kern kein aristokratischer Comment, das sich als Stil, Schmuck oder savoir vivre über alles legt, sondern eine immer wieder überraschende, beglückende neue Lösung, in der die Schwierigkeiten nicht auf Kosten der nächsten gelöst worden sind, sondern alle – zumindest viele – in einem. Eleganz ist so schwer auf den Begriff zu bringen, weil sie (in der) Bewegung ist. Elemente von ihr finden sich versprengt da und dort. So spricht man von „intelligenten“ Lösungen, sie sind smart, wenn viele Funktionen auf kleinstem Raum ermöglicht werden. Was fehlt dem Smarten zur Eleganz? Vielleicht folgt sie einer anderen Ökonomie. Sie sucht ihre Lösungen nicht unbedingt auf allerkürzestem Weg. Sie leistet sich den Luxus eines Spielraums, eines längeren Atems. Die elegante Bewegung hat die Fähigkeit zu einem Rhythmus, der andere Rhythmen in sich zu synchronisieren versteht, und sei es in Form der Synkope (Tanz). Elegante Lösungen wirken leicht, weil in ihnen noch die Schwere der Schwierigkeiten nachschwingt, die gelöst wurden. Die Leichtigkeit wirkt lässig, fast selbstverständlich und ist doch überwundene Schwere. Das führt weiter zur Verstellungskunst der Eleganz. Auch sie ist nicht immer ehrlich (transparent). Aber wir nehmen ihr die kleinen Betrügereien nicht übel, dafür ist sie einfach zu charmant.

Hannes Böhringer