Einfach, aber nicht banal
Was einfach sein kann, wie einfaches entstehen kann,
ob etwas einfach zu halten ist
– und dies im Kontext tendenziell steigender Komplexität –
ist ein wesentlicher Teil meiner Arbeit.
Der Begriff selbst hat vielfache Bedeutungen – und besonders seine diversen Synonyme.
Es würde Seiten füllen, die geltenden Definitionen zusammenzutragen.
Und sie treffen nur teilweise mein eigenes Verständnis im Umgang mit den Worten:
mühelos / problemlos / reibungslos / wie am Schnürchen
kommen ins Spiel, wenn der Knoten bereits gelöst,
Einfachheit also längst erreicht ist und erlebt werden kann.
unkompliziert / unproblematisch / unschwer / unmittelbar
bezeichnen als Un-Worte nur die Abwesenheit von etwas,
zeigen mir aber nicht, wie es wirklich ist.
genügsam / schlicht / spartanisch
stehen für weitgehenden Verzicht und die Reduktion auf das bestimmte Wesentliche
durch Ausgrenzung des vermeintlich Unwesentlichen.
direkt / geradewegs / gradlinig / pur
versuchen, ohne Um- und Seitenwege ins Ziel zu kommen,
möglicherweise rein ergebnisorientiert und gepanzert gegen Rück-, Um-, und Nachsicht,
möglicherweise aber auch mit genialem Kurz- oder Schulterschluß.
primitiv / simpel / banal
treffen sich auf der untersten Stufe, bilden aber dort kein Fundament,
da sie die weiteren Ebenen gar nicht erst einbeziehen wollen.
Einfach verstehe ich dagegen als Zusammenführung des Vielfachen.
Durch Konzentration wird Komplexität nicht umgangen oder ausgedünnt,
sondern integriert, wobei große Reichhaltigkeit entstehen kann.
Dies gelingt aber kaum durch Auftürmen oder Addition,
sondern durch geschickte, weil lösbare Verknüpfungen
von Kräften, Bedingungen und Chancen an einem Punkt.
Möglicherweise ist dieser Punkt eine Form oder eine Formel,
eine Melodie, eine Bewegung oder eine Konstellation,
die dann im besten Fall elegant zusammenwirkt.
Mitten im Leben, also im Gebrauch,
soll sich das komplexe Potential auch der einfachsten Gestalt
immer wieder entfalten können.
Das Banale, auf den ersten Blick oft schlagkräftig,
grinst beim zweiten und dritten Hinsehen immer noch unveränderlich zurück,
die übrige Welt weitgehend ausblendend.
Kaum zu gebrauchen ist eine Gestaltung auch,
wenn sie zu rein, zu schön, zu ideal ist
und damit nicht robust genug für das wirkliche Leben.
Folge sind meist Hilfskonstruktionen, Schutzmaßnahmen und Dogmen,
die jenseits von Selbstverständlichkeit und Angemessenheit ihr Unwesen treiben,
oft dem Sinn des Einfachen diametral entgegengesetzt
und zur Eigendynamik neigend.
Einfachheit erzeugt oft bei der ersten Begegnung
den tiefsitzenden Eindruck, immer schon dagewesen zu sein:
Teil der Welt, mit ihren Kräften arbeitend, nicht gegen sie.
Diese Synergien zu finden – oder zu erfinden – ist nicht einfach,
lohnt sich aber.
Axel Kufus, 2007
aus ‚Manuskript‘ – Essentials für den Alltag von Innenarchitekten und Designern
Axel Müller-Schöll,
Birkhäuser Verlag, 2007
ISBN 978-3-7643-7819-6